Mitteilung der Hochschule Koblenz vom 12.12.2022:

Hochschule Koblenz verankert Kinderschutz in der Lehre: Prof. Dr. Kathinka Beckmann erhält Kinderschutzprofessur

Christiane Gandner M.A. Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Hochschule Koblenz - University of Applied Sciences

In den letzten Jahren sind viele Fälle sexualisierter Gewalt gegen Kinder wie etwa in Münster, Lügde, Bergisch-Gladbach und Wermelskirchen aufgedeckt worden. Damit Fachkräfte in Einrichtungen wie Kindertagesstätten und Schulen oder in Jugendämtern Kinder mit Gefährdungspotential besser ausfindig machen können, hat die Jugend- und Familienministerkonferenz im Mai dieses Jahres beschlossen, die dafür erforderlichen Kompetenzen noch stärker zum Bestandteil relevanter Studiengänge und beruflicher Ausbildungen zu machen. Die Hochschule Koblenz hat darauf mit der Einrichtung einer neuen Professur „Kinder- und Jugendhilfe mit Schwerpunkt Kinderschutz“ reagiert.

Damit ist die Hochschule Koblenz eine der ersten Hochschulen in Deutschland mit einer Kinderschutzprofessur. Prof. Dr. Kathinka Beckmann, die die neue Professur seit Beginn des Wintersemester 22/23 inne hat, ist bereits seit 2010 an der Hochschule Koblenz Professorin für „Klassische und neue Arbeitsfelder der Pädagogik der Frühen Kindheit“. Seitdem hat sich die frühere Mitarbeiterin des Krisenzentrums für gewaltgeschädigte Kinder in Düsseldorf, die 2008 über Kinderschutz in der kommunalen Sozialpolitik promovierte, um den Kinderschutz verdient gemacht. So teilt sie ihr Wissen bei bundesweiten TV-Auftritten, in der Bundespressekonferenz und im Kinderschutz-Podcast der Deutschen Kinderschutzstiftung Hänsel+Gretel. Für ihr stetiges Engagement erhielt sie 2018 den Gerd Unterberg Kinderschutzpreis.

Bei politischen Gremien und der Bundesregierung gilt Beckmann als hoch geschätzte wie auch unbequeme Beraterin, die gerne den Finger in die Wunde legt. So stellte sie Mitte November in Berlin in der Sitzung der Arbeitsgruppe „Hilfen“ des Nationalen Rates gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen in ihrem Vortrag die Voraussetzungen und Erfordernisse von Kinderschutz in Aus- und Fortbildungen eindringlich dar.

„Das Bundeskriminalamt erfasste im Jahr 2021 rund 61.500 Fälle, in denen Kinder Opfer von Gewalt geworden sind. Die Dunkelziffer ist weit höher: Das Bundesministerium für Bildung und Forschung schätzt, dass jedes 5. Kind bzw. jeder 5. Jugendliche Gewalt erfahren hat“, betont Beckmann. Gleichzeitig ist ihr bewusst: „Dass viele Kinder über Jahre Gewalt erfahren, ohne dass es etwa in der Kindertagesstätte oder beim Jugendamt auffällt, liegt an den mangelnden Kenntnissen der Fachkräfte, die in Ausbildung oder Studium nicht auf eine mögliche Gefährdung vorbereitet wurden.“

Diese Erkenntnis ist nicht neu und hatte bereits 2007 zur Einrichtung der ersten Professur für Jugendhilfe und Kinderschutz an der Hochschule Frankfurt geführt, die Prof. Dr. Maud Zitelmann seitdem innehat. Vorausgegangen war ein damals bundesweit diskutierter Fall, in dem ein Kind zu Tode gekommen war, weil die zuständige Mitarbeiterin des Jugendamtes dessen Gefährdung nicht früh genug erkannt hatte. Sie war in ihrer Ausbildung nicht dafür ausgebildet worden und wurde daher freigesprochen. „Solche Fälle nehmen uns als Ausbildungsstätten in die Pflicht“, so Beckmann, „wir müssen dafür sorgen, dass alle Fachkräfte in entsprechenden Einrichtungen wie etwa in Kitas, Schulen, Jugendämtern, Heimen und Kinderkliniken dafür qualifiziert werden, Gefährdungspotentiale oder bereits bestehende körperliche und seelische Gewalt gegen Kinder und Jugendliche zu erkennen – kompetent und besonnen, um ohne Hysterie begründete von unbegründeten Verdachtsfällen unterscheiden zu können. Nur so können wir gemeinsam den gesetzlichen Auftrag der Kinder- und Jugendhilfe erfüllen.“

In den letzten Jahren hat der Fachbereich Sozialwissenschaften der Hochschule Koblenz das Thema mehr und mehr in seine Lehre integriert, insbesondere in dem von Kathinka Beckmann seit 2015 geleiteten Studienschwerpunkt „Kinderschutz und Diagnostik“ im Masterstudiengang Kindheits- und Sozialwissenschaften. Durch die Einrichtung der neuen Kinderschutz-Professur ist das nun ganz systematisch möglich: „In Zukunft wird niemand mehr aus dem Bereich der Frühpädagogik, der Kindheitswissenschaften und der Sozialen Arbeit ohne die entsprechende Expertise die Hochschule Koblenz mit einem Bachelor- oder Masterabschluss verlassen.“

Beckmann hofft, dass sich der Kinderschutz auch an anderen Hochschulen und Bildungseinrichtungen etablieren wird: „Es geht ja bei der Gewalt an Kindern und Jugendlichen, bei denen die sexualisierte Gewalt den größten Anteil ausmacht, nicht um Einzelfälle – sondern es betrifft Tausende.“ Hochschulen mit entsprechenden Studiengängen, die den Kinderschutz gerne in ihre Studiengänge mit aufnehmen würden, stünden allerdings vor dem Problem, dass es kaum Lehrende in diesem Bereich gebe. „Dieses Wissen kann man sich nur zum Teil theoretisch aneignen, man braucht Erfahrung aus der Praxis, um es vermitteln zu können“, weiß Beckmann, die während ihrer fünfjährigen Tätigkeit im Krisenzentrum für gewaltgeschädigte Kinder in Düsseldorf alles gesehen habe: „Man muss als Fachkraft in diesem Bereich auch lernen, das persönlich auszuhalten und damit umzugehen.“